Fremdsprachen
Sprache ist viel mehr als der Träger einer Information. Sie ist etwas Lebendiges, Facettenreiches und natürlich Kulturelles! Sprache ist ein Instrument welches, gleichermaßen analytisch, emotional, klar und kryptisch gespielt werden kann, je nach Individualität des Sprachanwenders. Eben diese Eigenständigkeit und Eigenart zeichnet nicht nur ein Bild des Charakterlichen, sondern prägt eine Persönlichkeit, die es über die Entwicklungsjahre in der Schulzeit zu fördern und entdecken gilt. Ziel und Aufgabe soll also sein, klangliche als auch stilistische Beschaffenheit nahe zu bringen, um dieses als etwas Eigenständiges und Anderes zu erleben.
An unserer Schule werden Englisch und Spanisch ab der ersten bis zur sechsten Klasse unterrichtet. Russischunterricht findet ab der siebten Klasse bis zum Ende der Schullaufbahn statt.
Der Englischunterricht an unserer Schule
Längst ist der Englischunterricht kein Auswendiglernen von Vokabeln und kein statisches Aneignen der Grammatik mehr. An Waldorfschulen ist er dies nie gewesen! Vielmehr sind sich mittlerweile alle Sprachlehrer einig (gestützt durch etliche Forschungsarbeiten), dass die Vielfältigkeit von Sprache nur über das innere altersgerechte Erleben erst richtig erlernt werden kann.
Neben dem Tastsinn ist unser Gehör als Erstes ausgeprägt. Über diesen Sinn erfahren wir Klang, Laute und Sinnhaftigkeit der Wörter, die uns unmittelbar gegeben sind, durch unsere ersten Bezugspersonen. Rhythmus, Tonlage und Stimme sind hierbei prägend für unser weiteres Dasein. In unserer Muttersprache sehen wir dieses Phänomen als selbstverständlich an und vernachlässigen oft die komplexen Zusammenhänge. Diese wurden und werden von der Waldorfpädagogik aufgegriffen und sind in einer dem Kind gerechten Unterrichtsform verwirklicht. So kommt es nicht von ungefähr, dass Rhythmus, Klang und das orale Wiederholen wesentliche Bestandteile im Englischunterricht der Unterstufe sind. Die Schüler sollen zunächst in dem neuen Kulturraum Englisch spielerisch, mit Selbstverständnis, ankommen und sich orientieren können.
Es kommt also darauf an, die Unterstufenschüler auf eine Reise mitzunehmen, bei der sie sich wohlfühlen und in der sie erste Schritte gehen dürfen, ohne auf steinige Wege zu stoßen. Bildlich gesprochen gehen die Schüler auf eine Entdeckungsreise mit einem Fremdenführer, der ein klares Programm vorgibt und reichlich Animation zum Mitmachen anbietet. Natürlich verlassen sie diesen Pfad sehr bald, denn wie wir es alle erlebten, fangen wir irgendwann an unsere Umwelt selbst zu entdecken und den Umkreis unseres Handlungsraums zu erweitern - so auch im Sprachgebrauch. Es geht also auch hierbei um Eigenständigkeit, die sich Schritt für Schritt einstellt. Befinden wir uns weiterhin auf dieser bildlich gesprochenen Reise, benötigen wir das Wissen, eine Karte zu lesen, um uns zurechtzufinden. Es ist also nicht mehr ausreichend, „nur“ den Klang, den Rhythmus und die inhaltlichen Kenntnisse zu erfahren, sondern es besteht mehr und mehr Notwendigkeit darin, sich die Ausdruckswege über die linguistischen Bausteine zu erwerben, um den persönlichen Ausdruck gestalten zu können. Ab einem Alter von etwa 10 Jahre kommt dies in den Schülern wie selbstverständlich zum Vorschein und sie werden empfänglich für Syntax und Grammatik im Allgemeinen. Bis dahin haben sich die meisten Kinder dem Strom der inneren Aktivität primär über das Zuhören anvertraut, welches, in allen Klassenstufen, wie auch die dichterisch geformte Sprache ein elementares Grundgerüst darstellt. In der 4. Klasse kommt es also darauf an, nicht mehr verstärkt als Klassengemeinschaft zu lernen, sondern das Gelernte wird individualisiert. Mit dem Anbeginn der 5. Klasse bis 6. Klasse werden die sprachlichen Säulen gefestigt. In diesem Zeitraum wird besonders Ordnung und Struktur von den Schülern gefordert. Sie sind ausgesprochen wissbegierig als auch neugierig und möchten geordnet lernen. Hierbei werden ihre denkerischen Fähigkeiten systematisch geweckt. Inhaltlich spiegelt sich dies in der unmittelbaren Anwendung des Erlernten wider, welches den Grundstein setzt, um einen individuellen Werdegang in einer Fremdsprache gehen zu können. Die Himmelsrichtungen auf einer Karte lassen sich also nach Ende dieser Lernperiode erkennen. Die Vielfalt der Sprachlandschaft und die Auseinandersetzung mit dieser ist die Reifung in der Mittelstufe bis in die Oberstufe hinein. Dabei gilt es das selbständige Lernen zu festigen und auszubilden, damit die Schüler in der Oberstufe zur vollständigen Eigenverantwortung gelangen. Aus dieser Eigenverantwortung geht der Englischunterricht in der Oberstufe hervor, der als ein schöpferischer Unterricht angesehen werden darf. In der 9. und 10. Klasse ist zwar die Urteilskraft ein wichtiger Kern, der sich ausprägt, jedoch lässt das reine Urteilen in dieser Lebensphase noch kein Verständnis zu. Es geht darum, das bereits gefestigte und erworbene Gerüst kontinuierlich in Erfahrung(-sschätze) zu verwandeln. Also die Reise tatsächlich antreten zu können mit Kompass, Karte und Wanderschuhen, die die Schüler nun kennen und beherrschen. Eine solche Reise darf natürlich nicht ganz ohne Dramatik auskommen. Für das Drama nach beispielsweise A. Bennett oder T.S Elliot ist der Englischunterricht geradezu prädestiniert. Denn ist nicht gerade der englische Sprachraum einer, dessen Autoren besonders viele Dramatiker hervorbrachte? Es geht dabei vielfach um das Zusammenbringen von Moralität und Ethik. Das Ergründen des Innenlebens gewinnt an Intensität. Die Fragen nach: „Wie stelle ich mich in meine Umwelt? Wo sehe ich mich in 5, 10, oder 15 Jahren?“ beschäftigt diese Altersgruppe enorm. Man könnte es als persönlichen Feinschliff ansehen, der sich nicht nur in der Persönlichkeitsausbildung findet, sondern gerade auch in der Anwendung der Sprache und demzufolge im Englischunterricht. In der 12. Klasse nimmt die selbständige Auseinandersetzung mit der Fremdsprache eine besondere Stellung ein. Dabei bekommt die Vertiefung mit dem kulturellen Leben und dem Zeitgeschehen besondere Geltung, da sich die Entwicklung des Heranwachsenden in eine selbstständige Form gebracht hat, so dass sich nun alle Elemente für ein echtes Verständnis dessen, was über die Schuljahre vertieft wurde ausgebildet hat. Mit anderen Worten die Schüler haben einen Reifegrad erreicht, der ihren weiteren Werdegang entscheidend prägen wird. Die erlangte Eigenständigkeit im Ganzen ist das was die Persönlichkeit werden lässt und die den losgelösten selbsttragenden Weg auszeichnet. Wenn wir als Fremdsprachenlehrer und Waldorfpädagogen dazu beigetragen konnten dann ist es das was unsere Arbeit mit diesem Gedanken lohnenswert macht.